Durch unsere Telematik-Systeme wissen wir, wann ein Unfall passiert. Das eingebaute GPS-Modul liefert die genaue Position und die Crash-Sensoren sagen uns, welche Kräfte auf Fahrer und Fahrzeug eingewirkt haben. Das normale Prozedere der Einsatzzentrale ist es, mit den Insassen über die bekanntgegebenen Telefonnummern Kontakt aufzunehmen und Details der Situation zu erfragen: Ist jemand verletzt, wird Hilfe benötigt usw. Ist niemand erreichbar, handeln die bestens ausgebildeten Call Agents nach eigenem Ermessen. Aus den Unfalldaten, sprich der Intensität des Aufpralls, der Position und der Uhrzeit bildet sich der Profi ein Bild der Situation und handelt dann entsprechend. So wird ein leichter Unfall am Nachmittag mitten in der Stadt anders behandelt, als ein starker Aufprall in der Nacht im ländlichen Gebiet.
Doch manchmal ist es gar nicht so einfach, die richtige Entscheidung zu treffen. So kommt es zum Beispiel auf einer Autobahnraststätte zu einem leichten Aufprall bei niedriger Geschwindigkeit und kurz danach wird auch die Notfalltaste im Fahrzeug betätigt. Allerdings ist niemand erreichbar und das Fahrzeug bewegt sich nicht mehr. Die Kollision war so leicht, dass es mit allergrößter Wahrscheinlichkeit zu keinem Personenschaden gekommen ist, aber ein Restrisiko bleibt. Nämlich dass der Fahrer oder die Fahrerin medizinische Hilfe aufgrund eines Schwächeanfalls oder gar eines Herzinfarktes benötigt. Was also tun? Grundsätzlich wird in solchen Situationen vom schlimmstmöglichen Fall ausgegangen und die Rettung verständigt. War es jedoch falscher Alarm und die Einsatzkräfte mussten umsonst ausrücken, fallen teilweise hohe Kosten an.
1000 Drohnen für Österreich
Damit die Einsatzzentrale solche Situationen noch besser bewerten kann wäre es optimal, vor Ort zu sein und sich selbst ein Bild machen zu können. Um diesem Idealfall so nahe wie möglich zu kommen, experimentieren wir gerade damit, eine Drohne zur Unfallstelle zu schicken und die Bilder an die Einsatzzentrale zu übertragen. Um sicherzustellen, dass ein solches Fluggerät innerhalb von 2 bis 3 Minuten vor Ort sein kann, wären für Österreich ungefähr eintausend Drohnen notwendig. Wenn wir uns auf die Unfallhäufungsstellen konzentrieren und für andere Gebiete längere Anflugzeiten in Kauf nehmen, kämen wir mit etwa 400 Startplätzen und Geräten aus.
Die Herausforderungen
Die technische Herausforderung besteht darin, eine Landkarte mit Bereichen zu definieren, in denen Drohnen fliegen dürfen. Innerhalb dieser Korridore darf kein bebautes Gebiet sein und auch Hindernisse wie Strommasten, Windräder etc. sind einzuplanen. In einem weiteren Schritt geht es darum, die richtige Drohne zu identifizieren. Dies hat nicht nur mit der Nähe zur Unfallstelle zu tun, sondern auch mit der Frage, ob das nächstgelegene Fluggerät volle Akkus hat und über die entsprechende Ausrüstung verfügt. Denn gerade im unbebauten Gebiet gibt es keine Beleuchtung und in der Nacht wäre eine Drohne mit einer entsprechenden Optik zielführend. Zuletzt geht es noch darum, eine Flugroute zu berechnen, sie an die Drohne zu senden und die Videoaufzeichnungen möglichst live zu übertragen. Denn statt die Mitarbeiter der Einsatzzentrale zu Drohnenpiloten auszubilden und sie dem Risiko auszusetzen, durch Bedienfehler Schaden an Personen oder Sachen zu verursachen, nutzen wir Machine Learning und künstliche Intelligenz (AI). Im Idealfall drückt der Call Agent lediglich auf eine Taste auf seinem Bildschirm und startet damit einen Drohnenflug zur Unfallstelle. Auf Wunsch bleibt das Gerät dann so lange vor Ort, bis die Situation geklärt ist bzw. bis die Akkus leer sind.
Derzeit testen wir die Prozesskette mit zivilen Drohnen für den Privatgebrauch. Dabei handelt es sich um die DJI Spark. Mit einer Akkulaufzeit von maximal 16 Minuten und einer Höchstgeschwindigkeit von etwa 50 km/h ist sie für den Realeinsatz nicht geeignet, für den Testbetrieb aber absolut ausreichend. Unsere Zielsetzung ist es jedenfalls, die Analyse von Unfällen noch weiter zu optimieren und alle technischen und intellektuellen Möglichkeiten auszuschöpfen, um dies zu erreichen.